Runde um Holland 2008
Stürmische Überfahrt von Stavoren nach Enkhuizen (fotos © ga&ul 2008...)
3 Wochen mit "Vrienden op de fiets"
3 Wochen mit "Vrienden op de fiets", so hatten wir es geplant. Aber ob das wohl klappen würde? Wir waren ja ein wenig skeptisch. Doch schon unsere erste Übernachtung - sie fand noch in Deutschland statt, in Esche an der Vechtetal-Route - bestärkte uns in unseren Erwartungen. Bei Familie van den Ende wurden wir sehr freundlich aufgenommen. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass sie auch 'Vrienden op de Fiets' sind. Daraufhin haben sie uns bereitwillig und zu unserer großen Freude den günstigeren Tarif eingeräumt.
Was ist das eigentlich: Vrienden op de Fiets?
Vrienden op de fiets ist die gelungene Verbindung von Menschen auf der einen Seite, die sich in ihrem Urlaub auf dem Fahrrad durch die Lande bewegen, mit Gastgebern auf der anderen Seite, die gerade diese Klientel gern als Gäste haben und oft auch selbst gern radfahren oder wandern. Man kann aber auch beides sein: Gastgeber und Gast.
Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass klare Regelungen bestehen. Die Übernachtung ist nicht umsonst: maximal 19 Euro kann ein Gastgeber verlangen (Stand 2015). Dafür hat der Gast Anspruch auf ein eigenes Zimmer, auf Frühstück, Bettwäsche und Handtücher. Alles andere ergibt sich vor Ort: Wie weit läßt sich der Gastgeber auf seine Gäste ein. Bleibt es bei einer formellen Aufnahme, kommt es zu einem kurzen Gespräch oder will man sich sogar etwas näher kennen lernen? Alles ist möglich. Wer sich weiter informieren möchte, schaut hier auf die Website von Vrienden op de Fiets. Wir fahren fort mit dem Reisebericht.
Über den Hondsruck an die Küste
Der 'Hondsruck' ist ein langgezogener Geestrücken, der sich von Emmen bis nach Groningen in nordwestlicher Richtung erstreckt - ideal für einen 'rit' mit dem 'fiets' zur Küste. Und er bietet ein abwechslungsreiches Landschaftsbild mit sehenswerten Dörfern und Kleinstädten.
Doch um dahin zu gelangen, liegen noch einige Kilometer längs der Vechte bis Coevorden und von dort in nördlicher Richtung vor uns. In Emlichheim wird gerade überall gebaut. Prompt verfahren wir uns ein paar Mal, fluchen über den starken Durchgangsverkehr, bis wir endlich wieder den Weg zur Vechte hinunter finden. Der kürzlich ob seiner Fahrradfreundlichkeit ausgezeichnete Ort wirkte zu der Zeit eher unfreundlich. Das Café am Dorfplatz hatte leider auch geschlossen.
Mit den Cafés sollten wir auch weiterhin kein Glück haben. In Coevorden landen wir bei der örtlichen Niederlassung einer Café-Kette, nicht besonders 'smakelijk'. Auch hier eine riesige Brache und zahlreiche Baustellen im Zentrum. Wir haben uns dann schnell wieder davon gemacht und die letzte Etappe nach Emmen unter die Räder genommen.
Nach Coevorden
Emmen, Borger
Welch ein Gegensatz bietet sich dann in Emmen. Eine moderne Stadt mit zahlreichen Einkehr- und Einkaufsmöglichkeiten, einem Tierpark mitten im Zentrum und - was uns als Radwanderer mit Gepäck ganz besonders freut - einer bewachten kostenlosen Tiefgarage für Fahrräder! Nicht etwa am Bahnhof oder sonstwo abseits, sondern ebenfalls mitten im Zentrum! Genau das, was wir uns immer wieder wünschen: Fahrrad mit Gepäck sicher abstellen und unbeschwert bummeln gehen können. Ähnliche Einrichtungen - fietsenstallingen - gibt es inzwischen in allen größeren Stadten der Niederlande. So machen Stadtbesuche auch im Radurlaub Spaß! Leider müssen wir bald weiter. Unsere 'Ronde van Nederland' soll ja nicht zu einem Spieß verkümmern. Also auf in den Sattel und auf den 'hondsruck' hinauf mit Borger als Ziel. Dort wartet schon unser nächster Gastgeber auf uns.
Von Borger gibt es nicht allzu viel zu berichten. Wir hatten dort ein nettes kleines Kämmerlein für uns, es gab Pizza in der örtlichen Pizzeria und einen kleinen Stadtbummel vor dem Schlafengehen. Die letzten beiden Etappen waren doch recht lang gewesen.
Emmen
Borger - Groningen - Schouwerzijl
Wenn man von Borger aus nordwärts radelt, landet man fast automatisch im Gebiet der Drentschen Aa, die sich hier noch weitgehend ihrem natürlichen Lauf folgend durch eine weitäumige Wiesen- und Geestlandschaft schlängelt. Wer Zeit hat, sollte sich unbedingt in Ruhe umschauen, Natur- und Kulturlandschaft genießen. Wenn auch das Gebiet stark landwirtschaftlich genutzt wird, so ist doch die alte Angerdorflandschaft erhalten geblieben, die typisch für Drenthe ist: Die Bauernhöfe rund um den Dorfplatz, die Äcker und Felder auf den höher gelegenen Flächen, die Heuwiesen und Weiden in den Niederungen. Wer mehr über die 'Nationale Strom- und Angerdorflandschaft Drentsche Aa' erfahren will, die 2002 zu einem Nationalpark besonderer Art erhoben ist, wird hier fündig.
Kurz vor Groningen vereinen sich alle Verkehrswege auf engstem Raum. Dennoch bleibt Platz genug für alle: Schnellstraße, Bahnlinie, Kanal und Fahrradweg. Der ist etwas abgesetzt, geschützt durch Bäume und Buschwerk, und schlängelt sich am Paterswoldse Meer entlang, bis wir auf einmal an einigen schön verzierten Hausbooten vorbei mitten in der Stadt gelandet sind. Viel Zeit lassen wir uns nicht, durchqueren die Stadt zügig. Das geht auch nahezu problemlos vonstatten, dank gut ausgebauter Radwege und übersichtlicher Wegweisung. Dass wir nun fast auf Meeresniveau angelangt sind, wird besonders deutlich, als wir die Stadt nach Norden wieder verlassen. Hinter den letzten Häusern und künstlich angelegten Waldstreifen schweift der Blick jetzt fast bis zum Horizont. Doch die aus Autofahrersicht von der Schnellstraße etwas öde wirkende Landschaft bietet immer wieder neue Überraschungen: eine Stute mit ihrem wenige Tage alten Fohlen, das uns neugierig beschnuppert, eine Klappbrücke von 1896, liebevoll gepflegt oder ein Steg mit seltsamem Anti-Rutschbelag, der sich bei näherem Hinsehen als Muschelschalen entpuppt. In dem kleinen Sielort Schouwerzijl, einst am Meer gelegen, nun im Binnenland, hatten wir uns angemeldet. In einem der kleinen schmucken Häuser des Ortes erwartet uns Mevrouw Elich. Die ruhige Nacht und das gute Frühstück lassen uns gut ausgeruht in den neuen Tag starten.
Groningen, zum Lauwersmeer
Schouwerzijl - Anjum
Bis zu unserem nächsten Ziel, Anjum, müssen wir noch das Lauwersmeer nördlich umrunden, trotz des eher kühlen Wetters eine schweißtreibende Angelegenheit, da der Wind nun ungehindert von Westen her unser Vorwärtskommen zu verhindern trachtet. So sind wir froh, als wir unser Ziel erreichen. Doch was für eine Überraschung. Diesmal haben wir ein kleines Holzhäuschen für uns allein, das von außen aussieht wie ein Blockhaus, innen aber wie ein altes Bauernhaus gestaltet und eingerichtet ist, mit einem Kamin, mit alten Fotos der Urgroßeltern links und rechts davon und einem richtigen Kojenbett, in dem es sich wundervoll schlafen lässt.
Lauwersmeer, Anjum
Anjum - Harlingen
Von Anjum aus geht es in die alte Hafenstadt Harlingen. Hier lohnt es sich, länger zu bleiben, da der Ort mit seinen Kanälen, dem historischem Stadtbild und dem lebendigen Treiben im Hafen absolut sehenswert ist. Im Hafen herrscht Hochbetrieb. Von hier aus starten die Tjalks, seegängige Flachbodenschiffe mit riesigen Seitschwertern. Sie können durch ihre besondere Bauweise sowohl auf den Kanälen des Binnenlandes segeln wie auch den Transport im flachen Wattenmeer zu den Inseln übernehmen. Heute dienen sie vor allem dem Abenteuerurlaub von Jugendgruppen oder Schulklassen, die auf diese Weise Einblick bekommen in die Seefahrt unter Segeln. In Harlingen hatten wir übrigens wieder ein Häuschen für uns, eine ehemalige Garage, die dem Besitzer als Büro gedient hatte, dann aber, als es nicht mehr gebraucht wurde, in ein Ferienhaus umgewandelt worden ist. Außerdem leisten wir uns ein einfaches Mobiltelefon mit SIM-Karte eines niederländischen Anbieters, damit die Gesprächskosten nicht ins Uferlose steigen, schließlich müssen wir fast jeden Tag per Telefon auf Quartiersuche gehen.
Harlingen
Über das stürmische Ijsselmeer nach Den Hoorn
Als wir uns wieder auf den Weg machen, hat sich das Wetter wieder verschlechtert. War es in Harlingen noch sonnig, schieben sich jetzt von Westen immer neue Wolkenberge heran. Wind und einsetzender Regen lassen unseren Plan, das Ijsselmeer auf dem Abschlussdeich zu überqueren, ins Wasser fallen. 30 Kilometer Regen und Gegenwind ohne jeden Schutz müssen nicht sein. So wenden wir uns ab Zurich nach Süden auf Stavoren zu. Von dort geht eine Fähre nach Enkhuizen. Doch bevor wir dort ankommen, geraten wir auf freier Pläne oben auf einem Deich radelnd in ein heftiges Gewitter. Fluchtartig verlassen wir den Deich hinunter zu dem einzigen Haus weit und breit. Dass es sich zum Teil noch um eine Baustelle handelt, merken wir erst, als wir auf dem Hof in einem Gemisch aus Sand und Zement einsinken. Mein Fahrrad fällt um, die Taschen landen im Matsch, Zementbrei läuft in die Schuhe. In das neu renovierte Haus lässt man uns nicht. Wir dürfen Vorlieb nehmen mit dem Vordach eines Blockhauses. Während das Gewitter sich so richtig austobt, reinigen wir notdürfig unsere Sachen. Zum Glück müssen wir nur die Schuhe selber säubern, den Rest erledigt der starke Regen.
Nach einer stürmischen Überfahrt erreichen wir Enkhuizen. Doch als ob es noch nicht genug Widrigkeiten gab, im nächsten Ort platzt der Schlauch im Hinterrad meines Fahrrades. Die Decke ist ebenfalls hinüber. Doch Glück im Unglück: das Ganze passiert vor einem Einkaufszentrum, in dem auch ein Fahrradladen angesiedelt ist, eine halbe Stunde vor Ladenschluss. So lässt sich der Schaden schnell beheben.
Ijsselmeer
Den Hoorn
In Den Hoorn erwartet uns eine neue Überraschung. Doch das merken wir erst später. Erst einmal landen wir in einer ganz normalen holländischen Reihenhaus-Siedlung, schleppen unsere Sachen in das Zimmer ganz oben unter das Dach, duschen und verwandeln uns wieder in stadtfeine Menschen. Nachdem wir den Hunger gestillt haben, laden uns unsere Gastgeber zu sich in die gute Stube ein zu einer Runde mit Rotwein und ... Musik! Wir sind bei Anton Greefkes gelandet, Tandemfahrer, Bandoneonspieler und Volksliedsänger. So wird es spät, bis wir in den wohlverdienten Schlaf sinken können. In der rechten Spalte ist Anton mit einem alten Volkslied zu sehen und zu hören.
Wieder an der Küste
Über Alkmaar nach Zandvoort oder
60-61-20-21-22-24-2-52-51-72-50-74-73
Am nächsten Morgen hat sich zu unserer Freude das Wetter etwas beruhigt, so dass wir im Trockenen starten können. An dieser Stelle soll endlich einmal das relativ neue Knotenpunkt-System für Radfahrer erwähnt werden. Inzwischen in allen Provinzen eingeführt, erleichtert es die Orientierung beim Radfahren enorm, vor allem für kurze bis mittlere Touren. Für Radreisen quer durch das Land bewährt sich nach wie vor das Netz der Langeafstands-Fietsroutes (LF..). Alle wichtigen Radweg-Abzweigungen und -Kreuzungen erhalten eine Nummer, so dass man sich anhand der Nummern durch das Land bewegen kann. Die Nummern-Kette in der Überschrift stellt zum Beispiel die Strecke von Den Hoorn nach Alkmaar dar. An wichtigen Punkten ist zusätzlich eine Übersichtskarte aufgestellt, der man die nächsten Knotenpunkt-Nummern entnehmen kann. Auf diese Weise lässt es sich fast ohne Karte und über weite Distanzen zusätzlich mit Hilfe der LF-Routen durch das ganze Land navigieren. Eine Karte benötigt man im Grunde nur noch, wenn man mal einen Knotenpunkt übersehen hat oder unabhängig vom Knotenpunktsystem durch das Land radeln möchte. Und es erspart den Städten ganze Schilderwälder. Ein kleines Schild mit der Nummer des nächsten 'Knooppunt' und mit einem Richtungspfeil reicht aus.
In Alkmaar angekommen verhindert allerdings wieder einsetzender Regen einen entspannten Stadtbummel, so dass wir uns diese wunderschöne Stadt lieber für eine andere Tour aufheben. Von Alkmaar aus ist es aber auch nur noch ein Katzensprung an die Küste, wo die Sonne auf uns wartet.
Alkmaar
Von Bergen bis Hoek van Holland
Über Bergen gelangen wir nach Egmond aan Zee. Hier scheint endlich wieder die Sonne. Aber der Ort ist derart voller Menschen, dass wir schnell ab durch die Mitte hinein in eine urwüchsige Dünenlandschaft mit ihren traumhaften Radwegen abhauen. Das ist wirklich Urlaubsgenuss pur, wie ihn so manche Tourismusverbände vollmundig für ihre eher unscheinbaren Gegenden versprechen. Positive Beispiele für die die gelungene Verbindung vorbildlicher Radwege-Infrastruktur in relativ dünn besiedelter sehenswerter Landschaft lassen sich zum Beispiel auf dem Oder-Neiße-Radweg finden oder auf der Tour Brandenburg im Bereich Schwarze Elster und Hoher Fläming, oder eben hier, durch den holländischen Dünengürtel von Den Helder im Norden bis Zeeland an der belgischen Grenze.
Unterwegs ist Zandvoort für eine Übernachtung eingeplant. Das klappt auch wunderbar. Doch abends kommt unser Gastgeber auf uns zu und fragt uns, ob wir nicht eine Nacht länger bleiben wollen, es sei ein heftiger Sturm angesagt. Wir schauen ihn wohl etwas ungläubig an - es ist schönstes Wetter - nehmen aber sein Angebot gern an. Und das war gut so. Denn bei unserem Strandgang am nächsten Morgen können wir uns im 30°-Winkel gen See legen, ohne umzufallen, so bläst der Wind von Westen her. Wir nutzen den Tag für einen Ausflug nach Haarlem, mit dem Bus ein Kinderspiel. Leider regnet es inzwischen ganz ordentlich. Das hält uns aber nicht von einem Stadtbummel ab. Den Fotos, die wir dort geschossen haben, tut das Wetter gut, keine von Sonne überstrahlten, blassen Farben, und die Nässe verleiht den Gegenständen noch einen Glanzüberzug.
Küstentour
Zuid-Holland
Am nächsten Morgen ist vom Sturm nichts mehr zu merken. Die Sonne strahlt fröhlich vom Himmel als sei nichts gewesen. Wir nehmen das Wetter dankbar an und streifen weiter zwischen Dünen, mondänen Badeorten und Meer Richtung Süden umher, wie der Weg uns leitet. In Hoek van Holland ist die nächste Übernachtung angesagt, wieder bei sehr freundlichen 'vrienden'. Hoek van Holland liegt direkt am 'Nieuwe Waterweg', Maasmündung und Hauptschiffahrtsweg nach Rotterdam. Aber man muss auch irgendwie hinüberkommen. Wir wählen die Fähre in Maassluis ein paar Kilometer stromaufwärts. Man umgeht damit lange Strecken durch Industriegebiete und hat reichlich Gelegenheit, große Pötte an sich vorbeiziehen zu sehen, da der Radweg fast durchgängig am Wasserweg entlang führt. Man kommt dabei auch an den riesigen drehbaren Sperrtoren vorbei, mit denen die Maasmündung gegen Sturmfluten abgeriegelt werden kann.
Nach der Überfahrt kommen wir durch Rozenburg, einer dieser Ansiedlungen, die am Reißbrett entstanden häufig in den Niederlanden anzutreffen sind. Er ist wie eine Halbinsel den Häfen von Rotterdam vorgelagert. Nach ein paar Kreiseln und Schlenkern entlang von Schnellstraßen begrüßt uns die Windmühle auf einer der Redouten der alten Festungsstadt Brielle. Ab hier geht es nun auf ruhigeren Wegen an die andere Seite der Halbinsel nach Rockanje. Hier treffen wir auch wieder auf die offizielle 'Ronde van Nederland'.
Kurz darauf queren wir auf dem Haringvlietdam einen weiteren Mündungsarm von Maas, Rhein und Schelde. Mit dem nächsten Abschlussdeich, dem Brouwersdam, verlassen wir Zuid-Holland und wechseln auf die 'Insel' Schouwen-Duiveland in die Provinz Zeeland. Das klingt jetzt etwas lapidar, doch eigentlich könnte man ständig anhalten, um die immer neuen Ausblicke auf Meer und Binnengewässer zu genießen.
Zeeland
Zwischen Schouwen-Duiveland und Noord-Beveland überquert man auf dem größten der Abschlussbauwerke die Oosterschelde. Hier haben wir nun eine der beliebtesten Ferienregionen nicht nur für Niederländer erreicht. An der Küste Noord-Bevelands reihen sich Feriensiedlungen und Campingplätze fast ohne Unterbrechung aneinander. Die alten Orte Renesse, Haamstede oder Burgh sind kaum noch als solche zu erkennen, weil sich hier allmählich ein durchgehendes Besiedlungsgebiet entwickelt hat. Da wollen wir nicht bleiben, also setzen wir uns über den letzten Abschlussdeich, den Veerse-Gaatdam, nach Zeeland ab, lassen die Touristenhochburg Middelburg rechts liegen und steuern unser Nachtquartier in Gapinge an.
Zeeland
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass Zeelands Südküste stark besiedelt ist - Middelburg, Vlissingen und sein Hafengebiet nehmen großen Raum ein. Schnellstraßen und Bahnlinie zerschneiden die Halbinsel. Kleine Straßen oder Wege sind dadurch unterbrochen. Es gibt nur noch wenige durchgehende autoarme Verbindungen. Daher bleiben wir erst einmal an der Nordküste, um uns dann zwischen Heinkenszand und Goes hindurch über s'Gravenpolder an die Südküste zu schlängeln.
Doch zuerst überrascht uns das Städtchen Veere mit zahlreichen Zeugnissen einstigen Reichtums:
Das prachtvolle Renaissance-Rathaus sowie die überdimensionierte Kirche passen so gar nicht zur heutigen Größe des Ortes, der seine Bedeutung als Hafenstadt verlor, als man 1961 das Veersemeer von der offenen See mit dem Veersegatdam abgeriegelt hat. Veere liegt heute an einem Binnensee.
Der Reichtum des 16. Jahrhunderts gründete auf dem Tuch- und Wollhandel mit England und Schottland, der von heute auf 4 Millionen Touristen, die jährlich die Gemeinde heimsuchen. Wir treffen an einem Donnerstag vormittag auf eine relativ leere Stadt, eine gute Gelegenheit, sie in Ruhe zu erkunden.
Wie bereits oben erwähnt, führt uns unser Weg anschließend quer durch Zeeland an die Südküste. Ab hier wählen wir den Radweg, der uns immer direkt an der Westerschelde entlang nach Bath führt, wo wir die nächste Nacht verbringen wollen. Bei gutem Wetter hat man von hier die Skyline Antwerpens im Blick. Was einem allerdings bei jedem Wetter schon bald ins Auge fällt, sind die Kühltürme des Atomkraftwerkes, das die Belgier freundlicherweise direkt an ihrer Nordgrenze den Zeeländern vor die Nase gesetzt haben, der Kerncentrale van Doel. Nein, das stimmt nicht ganz. Noch weiter nördlich liegt die Chemiefabrik von BASF Antwerpen.
Doel
Aber zurück zu Doel. Doel war einst ein nettes kleines Dorf an der Westerschelde mit einem kleinen Hafen. Heute liegt es eingequetscht zwischen dem Kraftwerk und dem Containerhafen von Antwerpen mit Blick auf Industrieterrains und Öltanks, Wohlstandszeugen der heutigen Zeit, und kämpft ums Überleben. Antwerpens Hafen soll erweitert werden und das Dorf endgültig schlucken. Dagegen setzen sich die verbliebenen Einwohner zur Wehr. Viele haben bereits aufgegeben und ihre Heimat verlassen, wie zahlreiche verfallende Häuser bezeugen.
In Rilland-Bath werden wir wieder einmal überrascht von der Gastfreundschaft, wie wir sie ganz oft bei Vrienden op de fiets angetroffen haben. Wir haben eine Wohnung über zwei Etagen für uns. Später am Abend bringt unser Gastgeber uns eine Flasche Rotwein und ein Schälchen mit Oliven vorbei, ein schöner Abschluss für die Küstenetappe unserer Runde um die Niederlande. Am nächsten Morgen soll es wieder binnenwärts gehen.
Zurück in das Binnenland
Durch Noord-Brabant und Limburg
Erste Station auf diesem Weg ist Breda. Hier übernachten wir zwar nicht so schön. Dafür bietet die Stadt ein lebendiges Nachtleben. Es ist ein warmer Sommerabend, und die ganze Stadt ist voll von Menschen, die den Abend genießen. Als wir an Bredas Stadtgrenzen ankamen, wurde uns mal wieder bewusst, wie gut jetzt ein Navi wäre, auf dem wir die Gastgeber-Adresse hätten eingeben können. So irrt man unter Umständen erst einmal durch die ganze Stadt, um dann festzustellen, dass die Adresse genau dort gelegen hat, wo man in die Stadt hineingefahren ist. Also war die nächste Anschaffung nach diesem Urlaub ein Navigationsgerät von Falk, auf dem man von der Kfz-Navigation auf einen Fahrradmodus umschalten kann, in dem die topografischen Karten von Magicmaps zum Einsatz kommen.
Nuenen über Eindhoven Gewitter
Venlo/Velden Gewitter
Breda
An der Maas nach Nijmegen
Von 'Het zwart water' radeln wir gut versorgt und um eine schöne Begegnung reicher wieder zur Maas hinunter. Der Fluss wird bis Nijmegen unser Begleiter. Doch mit der Übernachtung in Nijmegen selbst wird es nichts. Es ist 'Vierdagse', eine Großveranstaltung, bei der vier Tage lang Radtouren in die Umgebung angeboten werden, und die einen großen Zulauf besitzt. Also sind sämtliche 'Vrienden' ausgebucht. Wir finden zum Glück noch einen Gastgeber 10 Kilometer vor der Stadt, in dem kleinen Städtchen Malden.
Dafür erfahren wir am nächsten Tag vorbildliche niederländische Fahrrad-Infrastrukur. Zu einer Zeit, als hier in Deutschland das Wort 'Fahrradschnellweg' noch nicht einmal als Zukunftsvision gedacht war, sind wir auf einer breiten Piste mit Ampel-Vorrangschaltungen und auf glatten Asphaltflächen in Nullkommanix durch die Stadt parallel zur Eisenbahnstrecke gerauscht. Clou war ein Rollband hinunter in die Altstadt, quasi eine Rolltreppe ohne Stufen für Radfahrer. Sie führt uns direkt auf die Waalkade, auf der wir Nijmegen in die Groenlande nach Millingen aan de Rijn verlassen.
In den Groenlanden geht es wieder ganz normal zu. Kleine Sträßchen, Fietspaden, Ortsdurchfahrten, Deich-auf-und-ab, aber auch schön. In Millingen setzen wir über den Rhein (Waal), um auf der anderen Seite parallel zum Pannerdensch Kanaal Arnhem anzusteuern. Das ist ein lohnender Umweg und viel schöner als die direkte Strecke von Nijmegen durch dicht besiedeltes Gebiet und an Autobahnen entlang. Nach einigen Kilometern queren wir den Kanaal, der hier jetzt Nederrijn heißt, um die Fahrt auf der anderen Seite fortzusetzen, und um ihn dann ein weiteres Mal nach Arnhem hinüber zu queren.
Hooge Veluwe
An Arnhem Centraal vorbei erreichen wir schon bald wieder grüne Parklandschaften, durch die wir genussvoll gen Norden streben. Schon bald hinter dem Utrechtse Weg (A12/A50) und dem Koningsweg (N311) beginnt ein Radweg, der sich von hier an fast autofrei durch das riesige Wald- und Heide-Hügelland des Nationalparks Hoge Veluwe bis an dessen Nordende schlängelt. Ziel des heutigen Tages ist der kleine Ort Hoenderloo. Dort übernachten wir. Sonst gibt es nicht so viel über ihn zu berichten, ländlich halt und ruhig.
Beim Aufwachen am nächsten Morgen macht sich sofort eine erwartungsfrohe Stimmung breit. Viele, viele weitere Kilometer auf glatten Wegen werden wir uns durch die leicht hügelige Heidelandschaft schlängeln dürfen, und uns nicht mit Holperpisten, Sandwegen oder Strecken an verkehrsreichen Straßen herumschlagen müssen, mit denen man uns die Fernradwege in Deutschland so oft verleidet. Das Wetter spielt mit. Es wird ein Fahrrad-Reisetag, den man sein Leben lang in Erinnerung behält.
Nach gut 30 Kilometern legen wir eine Pause ein in dem kleinen Ort Elspeet. Hier verlassen wir wieder für lange Zeit die Straßenwelt, bis wir uns nach etwa 40 Kilometern Hattem nähern. Der Ort besitzt eine historischen Kern und ist sehenswert. Von Hattem aus geht es durch die Ijssel-Niederung. Het kleine Veer trägt uns sicher über den Fluss. Auf dem anderen Ufer radeln wir auf Zwolle zu. Leider bleibt uns keine Zeit, lange in der schönen Innenstadt der ehemaligen Festung zu verweilen. Wir haben unser Quartier bei Vrienden op de fiets auf dem Campingplatz von H.L.Vos an der Vecht(e) auf der entgegengesetzten Seite der Stadt. Abends noch mal 10 Kilometer hin und her zu fahren, dazu fehlt uns nach der zurückgelegten Tagesstrecke dann doch die Lust. So genießen wir den Abend an der Vecht.
Hooge Veluwe
Vechtdaal-Route
Ab Zwolle folgen wir zum Teil der Vechtdaal-Route zurück nach Nordhorn. Zu dieser Route gibt es einen eigenen Beitrag, und zwar hier .
Resümee
1528 Kilometer ist sie lang geworden, unsere Runde um die Niederlande (Rond NL). Sie ist bestens dazu geeignet, das Land in allen Facetten kennenzulernen. Vor allem wer ‘Vrienden op de fiets’ nutzt, lernt dazu auch noch viele nette Holländer kennen. Wir hatten drei Wochen Zeit, im Grunde viele zu wenig, wenn man nicht an allem nur vorbei sausen will, sondern das eine oder andere näher anschauen möchte. Außerdem ist an der Küste immer mal wieder mit einem Regen- oder gar Sturmtag zu rechnen, so wie wir es in Zandvoort erlebt haben. Solche Tage kann man nutzen, um wie in unserem Beispiel mit dem Bus nach Haarlem zu fahren und sich diese wunderschöne Stadt anzusehen.
Literatur
- Vrienden op de Fiets 2008
Stichting Vrienden op de Fiets - De Landelijke Fietsatlas
Buijten & Schipperheijn Cartografie - Fietspaden
Fietspaden Stichting Nederland - Basiskaart netwerk LF-routes Nederland
Stichting Landelijk Fietsplatform - Landelijke Fietskaart 1:200.000
Buijten & Schipperheijn Cartografie
(Internet-Links siehe rechte Spalte)